Wie werden und wie können Konzerne, Marken und Unternehmen künftig wirtschaftsbezogene Veranstaltungen genauso sicher wie erfolgreich durchführen? Was haben wir in der pandemischen Situation gelernt? Was funktioniert und was nicht? Und womit müssen wir künftig rechnen? Diesen und zahlreichen weiteren interessanten Fragen stellen sich erfahrene Experten der Veranstaltungswirtschaft in der zweitägigen Konferenz ‚Pfade in die Zukunft‘.
Foto: Die niederländische Trendforscherin Li Edelkoort wurde LIVE aus Paris zugeschaltet.
Der Titel ‚Gipfeltreffen der Veranstaltungswirtschaft‘ mutet fast schon ein wenig historisch an und erinnert an die Zeit, als die weiße LKW-Flotte der Party Rent Group die Friedrich-Ebert-Allee in Wiesbaden säumte, wenn sich die Messe- und Eventbranche einmal jährlich zum Jahresauftakt in den damaligen Rhein-Main-Hallen traf. Tausende von Messebesucher werden es in der zweitägigen Digitalkonferenz ‚Pfade in die Zukunft‘ nicht sein. Dafür aber sehr spannende und heterogene Experten-Runden, die kontrovers über die Zukunft wirtschaftsbezogener Veranstaltungen diskutieren. Das Design-Mobiliar im RMCC stammt übrigens heute wie damals schon von der Party Rent Group, die die Digital-Konferenz als Partner der Wiesbaden Congress und Marketing unterstützt.
Veranstaltungen mit regionalwirtschaftlichen Effekte in Höhe von 51 Mio. Euro
Die Moderation des ersten Veranstaltungstages übernahm die Kollegin Christiane Appel, Chef-Redakteurin des Fachmagazins m+a Report, der sich schwerpunktmäßig mit Messen und Ausstellungen befasst. Sie begrüßte im ersten Panel Wirtschaftsdezernent und Bürgermeister Dr. Oliver Franz und Staatssekretär Dr. Phillipp Nimmermann.
Foto: Christiane Appel ist Chef-Redakteurin beim m+a Report, sie moderierte den ersten Tag.
Dr. Oliver Franz betonte in seinem Impuls noch einmal die Relevanz wirtschaftsbezogener Veranstaltungen wie Messen, Kongresse und Firmen-Events für Wirtschaftsstandorte wie Wiesbaden: „Wir generieren im RMCC Wiesbaden jährlich regionalwirtschaftliche Effekte in Höhe von 51 Mio. Euro, die in der Stadt und in der Region 900 Arbeitsplätze absichern.“ Dr. Philipp Nimmermann, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen legte in seinem kurzen Impuls den Fokus auf den Wirtschaftsfaktor Veranstaltungen. „Ich möchte gemeinsam mit den Akteuren der Veranstaltungswirtschaft nach Perspektiven für die Zukunft suchen“, sagte der Politiker, der vertretend für den hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir am Gipfeltreffen in Wiesbaden teilnahm.
Die Krise als Chance nutzen
Der Psychologe und Gründer des rheingold-Instituts, Stephan Grünewald, beschäftigte sich in seinem Impuls damit, wie die Pandemie-Krise die Gesellschaft verändert und wagte dabei auch einen Ausblick dahin, was noch kommen wird. Dass wir Krisen auch als Chance begreifen können, bewiesen die Messestandorte Düsseldorf und Köln. Stefan Koschke, verantwortlicher Direktor des ‚Caravan Salons' in der Messe Düsseldorf zeigte, wie die beliebte Publikumsmesse im Krisenjahr unter entsprechenden Sicherheitskonzepten umgesetzt werden konnte. Sein Kollege Oliver Frese, Geschäftsführer der Koelnmesse, gab Einblick in die Transformation der Gamescom von der Präsenzveranstaltung hin zum digitalen Event.
Video: Der ‚Caravan Salon' in der Messe Düsseldorf überzeugte mit seinem Hygiene-Konzept.
„Das digitale Umfeld ist das ein Supplement der physischen Begegnung“
Jürgen Boos berichtete als Direktor der Frankfurter Buchmesse über seine Erfahrungen mit neuen Formaten unter Pandemie-Bedigungen. Dabei stellte er fest: „Den digitalen und den physischen Teil einer Veranstaltung getrennt voneinander betrachten zu wollen, macht nicht wirklich Sinn. Das digitale Umfeld ist ein Supplement der physischen Begegnung“, sagte der Messe-Experte aus Frankfurt und unterstrich dabei die Relevanz der persönlichen Begegnung im Kontext zu Themen wie Vertrauens- und Netzwerkbildung: „Man muss sich mindestes einmal getroffen haben.“ In einem Videobeitrag über die Buchmesse scheint der Wirtschaftsminister in Hessen dieses Statement zu unterstreichen: „Auf den ersten Blick ist es surreal, in einer Veranstaltungshalle zu stehen, in der sonst niemand ist“, sagte Tarek Al-Wazir.
Abbildung: Die Planung der IAA Mobility - Jan Heckmann: „Eine IAA wird stattfinden."
Jan Heckmann - Leiter IAA Mobility: „Covid-19 ist wie ein Katalysator“
Jan M. Heckmann ist Leiter IAA. Der Experte verschaffte den Konferenzteilnehmern Einblicke in die neue Ausrichtung der IAA Mobility. Die klassische Automobilmesse ist einer hybriden Plattform für Mobilität gewichen, die ihre Zielgruppen im B2B und B2C Umfeld - live und digital - interaktiv einbindet. Die IAA Mobility unterteilt ihre Veranstaltung dabei in vier Bereiche: Den Beginn macht der Summit in der Messe München, gefolgt von Open Space Projekten in der Innenstadt, die vor allem die Konsumenten in die Veranstaltung einbinden soll. Die Blue Lane – ist eine emissionsfreie Verbindung zwischen Summit und Open Space. Auf ihr werden beispielsweise elektrische Shuttlebusse eingesetzt, die inhaltlich in die Veranstaltung eingebunden sind. Das können themenbezogene AR oder VR-Inhalte sein, oder Debatten im Bus. Auf der Fahrt in die Messehallen wird die Pro-Argumentation zu einem Thema gespielt, auf der Fahrt raus der Kontra-Standpunkt beleuchtet. Last but not least: die Conference mit hochrangingen Vertretern aus Politik und Wirtschaft im B2B Umfeld. Die Pandemie sei wie ein Katalysator, betont Jan Heckmann: „Die Veränderung in Automobil, Mobilitäts- und Eventindustrie gab es vor Corona schon, die Pandemie hat das allerdings beschleunigt.“ Das wird später auch Trendforscherin Li Edelkoort bestätigen, die live aus Paris zugeschaltet wurde.
Abbildung: Ganzheitliche und dezentrale Veranstaltungsteilnahme am Fallbeispiel IAA Mobility.
Digitalisierung kam, um zu bleiben
„Der Markt der Live-Kommunikation wird in Zukunft wachsen“, stellte Martin Schulze – Geschäftsführer des German Convention Bureau e.V. – fest. In seinem Impulsvortrag stellte er die Marktentwicklung der Veranstaltungswirtschaft im Zeitraum von 2006 bis 2019 dar. Mit 423 Mio. Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Jahr habe der Markt 2019 ein Plus von 2,7% im Vergleich zum Vorjahr erzielt, dennoch habe es auch vor der pandemischen Situation schon einen Trend zur Hybridisierung und Digitalisierung gegeben. Künftig seien 70 % der Veranstaltungen hybride Formate, was dem Wachstum der Live-Kommunikation zugutekäme. Zunächst würden Präsenz-Veranstaltungen in der Häufigkeit und Größe zwar abnehmen, später dann würde genau diese Reduktion zu einem Wachstum der Live-Kommunikation führen.
Abbildung: 70% aller künftigen Präsenzveranstaltungen werden hybridisiert sein.
Li Edelkoort: „We are not going to stop. We are going to chance.“
„Das Imperfekte und die Improvisation verweisen auf turbulente Zeiten“ sagt Li Edelkoort und ergänzt: „es wird darum gehen, die Agilität und Flexibilität herauszufordern und reine Repräsentation blass aussehen zu lassen." Die Niederländerin gehört zu den bekanntesten Trendanalysten der Welt. In Ihren Trendanalysen sagt sie voraus, wie wir in Zukunft arbeiten, einkaufen und kommunizieren werden. Dabei sind ihre Prognosen ebenso zutreffend wie provokant. Weltweit analysieren Trendforscher der "Edelkoort Studios" Tendenzen, die uns künftig beschäftigen werden. Bereits im März 2020 teilte sie in einem Interview mit der ‚Vogue‘ ihre Gedanken und Prognosen zur Coronakrise und lag dabei mit vielen Prognosen richtig. Am Ende des ersten Veranstaltungstages wurde sie live aus ihrem Haus in Paris zu geschaltet und erläutere in einer einstündigen Top-Keynote, womit im kommenden Jahrzehnt zu rechnen ist.
Foto: Li Edelkoort stellt die Frage in den Raum: „Vielleicht ist der Virus die Rettung des Planeten?"
Der Virus als Rettung des Planeten?
Auf die Frage, womit in Live-Kommunikation und Experience-Marketing künftig zu rechnen sei, sagte Li Edelkoort: „Die persönliche Begegnung als solche endet nicht, aber die Art, wie wir uns begegnen, wird sich verändern.“ Diesen Trend habe sie schon lange vor Corona beobachten können, die pandemische Situation beschleunige lediglich diesen Prozess, so die berühmte Trendforscherin – und sie ergänzt: „vielleicht ist der Virus die Rettung des Planeten.“ Damit deutet Lidewij Edelkoort darauf hin, dass die Entschleunigung und die Bewusstwerdung, die mit der Pandemie anheim geht, unter Umständen dazu führt, dass wir Menschen unseren Umgang mit der Natur und dem Planeten neu überdenken. „Wir wussten, dass wir dringend Veränderungen herbei führen müssen. Dennoch haben nicht aufgehört, zu produzieren und zu konsumieren. Es war unser Mantra.“ Zukünftigen Generationen wird es mehr um Glück als um Gewinn gehen. Konzerne, Marken und Unternehmen werden sich und ihre Werte neu erfinden. Und die Dezentralisierung von Arbeitsplätzen wird dabei eine große Rolle spielen. „Bei Unternehmen wie Google werden die Mitarbeiter für Meetings ins Office kommen, dann aber von zu Hause arbeiten", sagt die Trend-Analystin. Und dabei ginge der Trend hin zum dezentralen Arbeiten und Leben auf dem Lande.
Drei Fragen an Martin Michel
Am Ende des ersten Veranstaltungstages stand uns der Gastgeber und Geschäftsführer der Wiesbaden Congress & Marketing GmbH, Martin Michel, für ein NEXTLIVE-Interview zur Verfügung.
Redaktion
Wiesbaden ist Initiativnehmer für die Konferenz ‚Pfade in die Zukunft‘ – die persönliche Begegnung muss wieder eine echte Perspektive bieten. Wie sehen sie das kurz- und mittelfristig für den Wirtschaftsstandort Wiesbaden?
Martin Michel
Das ist eine sehr spannende Frage, weil schlussendlich die persönliche Begegnung in Form von wirtschaftsbezogenen Veranstaltungen sehr stark vom weiteren Verlauf der Impfungen abhängen wird. Ich persönlich denke, dass es ein Stufenmodell geben wird, bei dem die Größe von Veranstaltungen dann im Laufe der Zeit sukzessive wieder ansteigen. Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger ein Impfangebot gemacht werden kann. Die Veranstaltungswirtschaft ist aufgestellt für diese Situation, die entsprechenden Hygiene und Sicherheitskonzepte liegen vor, das haben heute viele Beiträge gezeigt. Insofern kann ich sagen: wir alle sind bereit durchzustarten.
Foto: Der Gastgeber des Gipfeltreffens in Wiesbaden - Martin Michel im NEXTLIVE-Interview.
Redaktion
Inwieweit geht Wiesbaden Convention in Zeiten der Pandemie neue Wege und wie genau sehen diese Wege aus?
Martin Michel
Wir haben uns hier in Wiesbaden bereits im vergangenen Jahr darauf verständigt, dass wir den Kontakt zu unseren Kunden behalten müssen. Dazu haben wir das Campus-Format aufgelegt, in dem wir regelmäßig Veranstaltungen durchführen und unsere Kunden über die Entwicklungen im Markt informieren – beispielsweise zu digitalen und hybriden Veranstaltungsformaten. Über die Campus-Formate laden wir Kunden und Partner – zum Beispiel aus der Hotellerie und Gastronomie – dazu ein, mit uns über Trends und Entwicklungen zu diskutieren. Dabei ist es uns wichtig, dass die Erkenntnisse von heute ihren Eingang in die Formate von morgen finden.
Redaktion
Konzerne, Marken und Unternehmen sehen sich in der pandemischen Zeit mit immer neuen Gesetzgebungen konfrontiert, die vielerorts sehr unterschiedlich- und damit nur schwer kalkulierbar sind. Das führt dazu, dass viele Marketing- und Budgetentscheider aus Wirtschaft und Industrie sehr zurückhaltend mit Investitionen in wirtschaftsbezogenen Veranstaltungen sind.
Was sagen Sie als Repräsentant eines Messe- und Kongressstandorts diesen Auftraggebern?
Martin Michel
‚Man muss mutig sein‘ – das ist unsere Botschaft an Veranstaltungsplaner. Dabei verfolgen wir hier in Wiesbaden die Strategie, in den persönlichen Dialog mit unseren Kunden einzusteigen. Unser Ziel ist es, gemeinsam Perspektiven für künftige Veranstaltungskonzepte zu erarbeiten. Von voll-digitalen Kongressen über hybride Formate bis hin zu reinen Präsenzveranstaltungen bedienen wir im RMCC eine große Bandbreite an Szenarien. Dabei ist es wichtig, sehr partnerschaftlich zu agieren und das unter Einbeziehung verschiedenster Dienstleister, um gemeinsam individuelle Konzepte zu entwickeln, auch in Bezug auf Hygiene und Sicherheit. In dem Kontext werbe ich immer wieder um Vertrauen bei unseren Kunden. Ich denke, Vertrauen wird im konstruktiven Dialog mit unseren Kunden künftig wichtiger denn je, damit wir gemeinsam wirtschaftsbezogene Veranstaltungen erfolgreich planen und umsetzen können.
Redaktion
Herr Michel, vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf die Fortsetzung der Konferenz.
„Kommunikation muss, wenn sie erfolgreich sein will, dargestellt und verkörpert werden. Messen und Kongresse sind eben keine ‚Talking Heads’, sondern es sind Bühnen, auf denen die Teilnehmer performen.“ Ein Statement von Martin Michel im Vorfeld zum Gipfeltreffen in Wiesbaden. Hier findet ihr das gesamte Interview mit Martin Michel.
© Fotos, Abbildungen & Videos
Die Pressekonferenz zum Gipfeltreffen der Veranstaltunswirtschaft in Wiesbaden
Foto: Mit einem Klick auf das Foto oben gelangt ihr direkt zur Pressekonferenz der Veranstaltung.
Pfade in die Zukunft - der 2. Veranstaltungstag
Auch der zweite Veranstaltungstag wartete mit einem sehr attraktiven Programm auf. Den Opener machte Wirtschaftsjournalist Wolf Lotter, Mitbegründer und Mastermind von brand eins mit der Keynote ‚ Innovation: Wie kommt das Neue in die Welt? Kontext is King‘. Hier gelangt ihr zum zweiten Veranstaltungstag im Detail.