‚Pfade in die Zukunft‘ – so lautet der Titel der Veranstaltung, mit dem die Wiesbaden Congress & Marketing am 11. und 12. Februar zum ‚Gipfeltreffen der Veranstaltungswirtschaft‘ in das RheinMain CongressCenter Wiesbaden einlädt. Ein ambitionierter Plan, mit dem die Post-Pandemie-Ära erstmals in den Blick genommen werden soll.
Foto: Martin Michel, CEO Wiesbaden Congress & Marketing GmbH
Wie hat sich die Welt der Präsenz-Veranstaltungen verändert? Wie sieht die neue Normalität aus? Wer sind die Gatekeeper to Future und wie sehen Konzepte aus, die neues Vertrauen schaffen? Die Karten werden längst neu gemischt. NEXTLIVE-Chefredakteur Sjoerd Weikamp sprach mit Martin Michel, dem CEO der Wiesbaden Congress & Marketing GmbH, Betreiberin des Kurhaus Wiesbaden und des RheinMain CongressCenter in der Hessischen Landeshauptstadt.
Sjoerd Weikamp
Wie kamen Sie auf die Idee für diese Veranstaltung zu diesem ambitioniert frühen Termin?
Martin Michel
Es ist ein Trugschluss, dass der Shutdown dazu führt, dass die Welt stillsteht. Sie dreht sich weiter und für uns mit erhöhtem Tempo. Wir müssen uns jetzt auf die Zukunft vorbereiten, voneinander lernen und uns stark machen. Viele Veranstaltungen haben einen langen Vorlauf, so dass es auch nach dem Ende des Shutdown nicht gleich wieder losgeht. Unsere Kunden sind kritischer geworden, sie hinterfragen Veranstaltungsformate. Dies auch vor dem Hintergrund der Corona bedingt sehr schnellen und dynamischen Etablierung digitaler Alternativen. Wer jetzt noch davon ausgeht, dass sich alles in altbewährter Form einspielt, der braucht gar nicht mehr am Markt anzutreten. Corona ist eine disruptive Herausforderung für das meiste, das uns lieb ist: die Spontanität der Begegnung, die Globalisierung, das Meet & Greet bei Konferenzen und Konzerten.
Deshalb waren wir sofort dabei als uns Helmut M. Bien (westermann kommunikation) anbot, eine Konferenz zu dem Thema zu kuratieren. Er gehört zu den Kennern und Akteuren der Messe- und Kulturlandschaft und hat mit seinem Konzept ‚Luminale’ erstmals die Festivalisierung von Messeveranstaltungen erfolgreich organisiert. Das war der Einstieg in hybride Formate zwischen Hallengeländen und dem städtischen Umfeld, zwischen Kommerz und Kultur. Auch sonst hat er Erfahrungen mit Konferenzen, die Leute aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern mit verschiedenen Perspektiven zusammenbringen. Einen solchen Pfad bildenden Event wollen wir jetzt mit vereintem Know-how stemmen.
Foto: Das RMCC in Wiesbaden - hier findet das Gipfeltreffen der Veranstaltungswirtschaft statt.
Sjoerd Weikamp
Wie hat sich denn das Geschäft schon verändert?
Martin Michel
Die Veranstaltungsanfragen haben sich verändert, denn unsere Kunden sind in vielen Bereichen weiter als manche andere in der Branche, die sich retten lassen wollen. Wir werden auch unsere Kunden zu dieser Konferenz einladen. Die Veranstalter führen nicht nur ihre entsprechenden Veranstaltungen durch, sondern sorgen für einen ganz wesentlichen Effekt. Durch die Teilnehmer werden Umsätze in Hotellerie, Gastronomie und Einzelhandel generiert. Damit sichern die Veranstaltungen nicht nur Umsätze, sondern auch Arbeitsplätze in der Stadt. Die ganze Infrastruktur gerät ins Wanken, wenn die Veranstaltungsbranche brachliegt. Wir wollen uns aktiv einbringen in diesen Wettlauf um den Erhalt unserer Lebensqualität. Wir haben im Augenblick beispielsweise ein großes Impfzentrum im RMCC eingerichtet, weil wir über das flexible Raumangebot verfügen und die Improvisationsfähigkeit für solche temporären Aktionen, die Leben retten und rasch in eine neue Normalität führen.
Foto: Wiesbaden war von 1999 bis einschließlich 2008 der Treffpunkt der Veranstaltungswirtschaft.
Sjoerd Weikamp
Welchen Herausforderungen müssen Sie sich aktuell stellen?
Martin Michel
Die größte Herausforderung für Messe & Kongressveranstalter aber auch für Veranstaltungshäuser ist die Digitalisierung. Braucht es in der Zukunft überhaupt noch große Hallen oder verschwindet nicht vieles im Netz? So wie Netflix die Medien herausfordert, Amazon den Einzelhandel, so sind es Formate wie Zoom, die quasi über Nacht einen neuen Kanal und ein eigenes Format aufgezogen haben. Zoomen wird das neue Googeln.
Wir sind froh, dass unsere Veranstaltungshäuser mitten in der Stadt zentral und fußläufig in einem attraktiven grünen Umfeld liegen. In unserer Multitasking-Welt können Sie hier zur Ruhe kommen und sich mal auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren. Wir haben ideale Raumformate mit einem menschlichen Maßstab. Im RMCC fühlt man sich nicht allein und verloren und auf der falschen Veranstaltung, weil es bei uns keine Massen braucht, um die Situation als angenehm gefüllt zu empfinden. Man will ja Menschen treffen in einer entspannten und angenehmen Atmosphäre, schließlich liegt ja genau darin unser Geschäftsmodell: wir führen Menschen zusammen.
Foto: ‚Pfade in die Zukunft' - SAFE THE DATE: 11. und 12. Februar digital aus dem RMCC Wiesbaden.
Unsere Kunden bestätigen uns darin, dass auch sie diese Vorzüge der Präsenz-Veranstaltung schätzen. Gerade die Erfahrungen mit Digitalformaten zeigen, dass oft genug nach einem Tag am Flachbildschirm nur ein schales Gefühl bleibt. Es ist wie manchmal beim Fernsehprogramm: Am nächsten Tag kann man sich nur noch schwer an das erinnern, was man gesehen hat.
Sjoerd Weikamp
Sie setzen also nach wie vor auf das soziale und physische Face to Face?
Martin Michel
Schon das ist ja eine Verengung. Kommunikation muss, wenn sie erfolgreich sein will, dargestellt und verkörpert werden. Messen und Kongresse sind eben keine ‚Talking Heads’, sondern es sind Bühnen, auf denen die Teilnehmer performen. Kleidung, Körpersprache, Gesten und Berührungen schaffen Vertrauen und Pausen sind das Wichtigste. Es ist ein Irrglaube, dass die Leute nur wegen der Inhalte kommen, sie wollen sich in den Pausen vernetzen und Erfahrungen austauschen, Missverständnisse ausräumen, von eigenen Erfolgen berichten und sich beruflich weiterentwickeln – eben das ganze Socializing. Wir sind als Peoplepilots unterwegs. Wir bringen Menschen zu Themen zusammen und je verschiedener die Perspektiven sind, umso inspirierender sind sie. Künftig gehen Sie nicht für Routinen auf Veranstaltungen, sondern wegen besonderen Inspirationen und Informationen, die den persönlichen Horizont erweitern. Darum geht’s und weniger um Bestellvorgänge und Abwicklungsmodalitäten. Das ist jetzt endgültig ein Modell von gestern. Das interessiert kaum noch jemanden. Dafür gibt’s schließlich das Netz.
Sjoerd Weikamp
Und die Digitalisierung?
Martin Michel
Die begrüßen wir. Wir glauben an die Segnungen, die sich damit verbinden lassen. Digitalisierung eröffnet uns Reichweiten, von denen wir nur träumen konnten. Wir bringen demnächst beispielsweise 1.000 Leute auf eine Veranstaltung, die alle Vorzüge der Präsenz genießen können und eine Vielfaches an Besuchern darüber hinaus in Online-Formaten vom Streaming bis zu Clips und Edutainments, Digitorials und, und und.... Die Harvard University kauft die besten Professoren der Welt ein. Sie haben auch Performer-Qualitäten, weil die Vorlesungen ins Netz übertragen werden. Da sitzen viele Studierende an den Bildschirmen und haben so Zugang zu den Besten der Besten.
Es ist wie im Theater. Da haben wir bisher nur Parkett und Bühne und jetzt gibt es über die digitalen Kanäle eine prinzipiell unbegrenzte Zahl von Stehplätzen. Unsere Veranstaltungen brauchen künftig eine Choreografie wie internationale Modenschauen, in denen eine relativ kleine Vor-Ort-Gruppe das Live-Erlebnis hat und die Masse dennoch nicht ausgesperrt ist. Das ist ein weiterer und bedeutender Schritt im Rahmen der Veranstaltungsorganisation, zumal die Leute im digitalen Umfeld sich die Dinge dann anschauen können, wann es Ihnen passt und nicht dem Veranstalter. Die leidige Diskussion um Termine entspannt sich dadurch sehr. Und es kann einen wertvollen Nebeneffekt haben. Kongresse, die unseren Kapazitäten entwachsen waren, melden sich wieder zurück, weil sie unsere Atmosphäre und unseren Service schätzen und hier ihre verkleinerten Live-Veranstaltungen durchführen können, die sie ins Netz übertragen. Dafür haben wir die Kapazitäten und Kompetenzen aufgebaut.
Foto: Chef-Redakteur Sjoerd Weikmap bereitet aktuell einen Beitrag für das Speaker-Panel vor.
Sjoerd Weikamp
Aber diese neuen Formate erhöhen doch die Zahl möglicher Konferenzstandorte?
Martin Michel
Das täuscht. Die Mehrzahl der Veranstaltungen fand auch bisher in Kongress-Hotels statt. In Wiesbaden sind wir mit ihnen in einer Allianz verbunden und wir haben nicht das Interesse, deren Geschäft zu kannibalisieren. Wir konzentrieren uns wie bisher auch, auf Veranstaltungen, die in Kapazitäten von Kongress-Hotels nicht abbildbar sind. Außerdem konkurrieren wir nicht mit Veranstaltungsstandorten in Gewerbegebieten. Wir spielen in einer anderen Liga.
Was uns aber mit großer Sorge erfüllt, sind so Menetekel wie die Abwanderung des World Economic Forums von Davos nach Singapur. Das sind Alarmzeichen für Shift & Drain weg von Europa. Das Kongress-Geschäft darf sich nicht von unserem Kontinent verabschieden, weil die Musik in anderen Wirtschaftsräumen spielt und die Leute nur noch nach Europa ins Museum wollen. Auch deshalb brauchen unsere Veranstaltungen digitale und virtuelle Schatten, die Lust auf Treffen in Europa machen, weil sich damit so vieles verbinden, anhängen und vorschalten lässt. Es war ein Fehler, dass wir die Incentive-Qualitäten von Kongressen schamhaft beiseite gedrückt haben und uns auf den schmalen Pfad eines Effizienz-Business haben führen lassen. Messen & Kongresse, so denken wir es in Wiesbaden, sind eben auch Dehnzeiten fürs Management, in denen all das geschehen kann, für das sonst zu wenig Zeit bleibt... Das Hamsterrad liegt nicht mehr im Trend. Es bietet keine Work-Life-Balance Und die wollen gerade die jungen.
Sjoerd Weikamp
Wie bereiten Sie dieses Gipfeltreffen vor?
Martin Michel
Wir haben gerade einen ‚Call for Innovations’ gestartet und bitten unsere Kollegen Beiträge für dieses Gipfeltreffen anzumelden. Sie können mit Helmut M. Bien unserem Kurator Kontakt aufnehmen und ein persönliches Gespräch führen. Zugleich haben wir eine Reihe von Koryphäen der Marktforschung und Kommunikationspsychologie, der Trendforschung und Event-Kommunikation, der Hospitality-Gestaltung angesprochen, Kollegen aus anderen Häusern und natürlich auch diejenigen, die Events umsetzen: von den Szenographen bis zu Technik-Dienstleistern.
Wir blicken grundoptimistisch in die Zukunft. Vieles wird wegfallen, das schon länger als Auslaufmodell gilt. Aber es eröffnen sich neue Konstellationen und Verbindungen, zum Beispiel für Leute, die Content haben oder aufbereiten können, die Medien und Kommunikationsagenturen und Seminarveranstalter. Das pure Geschäft mit Quadratmetern ist aus unser Sicht kein Zukunftsmodell. Es geht um Qualität, um Werte, die man mit Kunden teilt, um echte Innovationen, Nachhaltigkeit und nicht um immer mehr vom gleichen.
Unsere Veranstaltung ist ein Mutmacher. Wir jedenfalls haben Lust auf diese Zukunft und freuen uns, wenn es endlich wieder losgeht. Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie, meinte schon Ludwig Ehrhard aus Bad Homburg. Und dafür ist es unabdingbar, dass sich die Menschen wieder auf Veranstaltungen treffen können.
Sjoerd Weikamp
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Michel.
Foto: Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer FAMAB, berichtet u.a. über Ideen für die Zeit nach der Krise.
‚Pfade in die Zukunft‘ – oder doch – ‚Zurück in die Zukunft‘?
Das ‚Gipfeltreffen der Veranstaltungswirtschaft‘ will ‚Pfade in die Zukunft‘ aufzeigen und lädt dazu ins RMCC nach Wiesbaden ein. Fast schon könnte man meinen: Déjà-vu – war doch Wiesbaden in den Jahren 1999 bis einschließlich 2008 der jährliche Treffpunkt der Veranstaltungswirtschaft. Doch wer glaubt, Wiesbaden will an alte Zeiten anknüpfen, irrt – das Gegenteil ist der Fall. Das, was die Initiatoren dieser Veranstaltung in Wiesbaden auf die Beine stellen wollen, ist keineswegs ein ‚Copy-Paste‘ nach dem Motto ‚Zurück in die Zukunft‘ – sondern vielmehr ein ‚Fastfoward‘. Keine Frage, es ist ein sehr ambitioniertes Projekt. Aber braucht es gerade in Zeiten wie diesen nicht Menschen mit Mut und Ambitionen, die bereit sind, neue Wege zu beschreiten und auf den Pfaden in die Zukunft vorweg zu gehen?
Foto: Johannes Plass – Mutabor Brandspaces; „Corona hat das Geschäftsmodell in Frage gestellt."
Abwechslungsreiches Programm mit sehr interessantem Panel-Themen
Genau das will die Konferenz ‚Pfade in die Zukunft‘: diskutieren, inspirieren und Mut machen, nach vorn zu blicken. Dazu haben die Initiatoren interessante Gäste zum ‚Gipfeltreffen der Veranstaltungswirtschaft‘ in Wiesbaden eingeladen. Spannende Keynotes, abwechslungsreiche Impulsvorträge und Themen, die zum Nachdenken und Diskutieren anregen. Die Veranstaltungsteilnehmer erwartet ein äußerst spannendes Programm, mit diesen Panel-Themen:
Foto: Robert Sarcevic, Head of Fairs der Siemens AG, formuliert Anforderungen an Veranstaltungen.
Der erste von zwei Veranstaltungstagen eröffnet mit einer Pressekonferenz. Dr. Oliver Franz, Bürgermeister der Stadt Wiesbaden und Wirtschaftsdezernent ist mit einem Impuls aus Wiesbaden zu Gast. Marktforscher Stephan Grünewald vom rheingold-institut in Köln referiert über den Mentalitätswandel in der Krise und Helmut M. Bien gibt als Kurator einen kleinen Vorgeschmack auf das Programm der Konferenz.
Der 1. Veranstaltungstag
Das offizielle Programm am ersten Veranstaltungstag beginnt um 14 Uhr. Gäste sind unter anderem Wolfram N. Diener – Messe Düsseldorf, Felix Falk – Branchenverband Gamescom, Jürgen Boos – Frankfurter Buchmesse, Jan Heckmann von der IAA München, Matthias Schultze vom German Congress Bureau, Dr. Stephan Wilhelm vom Fraunhofer Institut, Marsilius von Ingelheim vom Rheingau Musik Festival, Olaf Zimmermann - Deutscher Kulturrat, Martin Michel, CEO Wiesbaden Congress & Marketing GmbH sowie Gerald Kink, der Präsident DEHOGA in Hessen.
Foto: In ihrer Keynote erläutert Trend-Analystin Li Edelkoort, womit künftig zu rechnen ist.
Keynote mit Trend-Analystin Li Edelkoort
Ein ganz besonderes Highlight dürfte die Keynote der niederländischen Trend-Analystin Li Edelkoort sein. Li Edelkoort gehört zu den bekanntesten Trendanalysten der Welt. Ihre Prognosen sind so zutreffend wie provokant. In Ihren Vortrag erläutert sie, womit im laufenden Jahrzehnt zu rechnen ist und worauf wir uns einstellen können. Das Imperfekte und die Improvisation verweisen auf turbulente Zeiten, die Agilität und Flexibilität herausfordern und reine Repräsentation blass aussehen lassen.
Foto: Patric Weiler, Director Strategy & Innovation bei Proske: „Die Customer Journey für Events"
Der 2. Veranstaltungstag
Auch der zweite Veranstaltungstag wartet mit einem sehr attraktiven Programm auf. Um 10 Uhr startet Wirtschaftsjournalist Wolf Lotter, Mitbegründer und Mastermind brand eins mit der Keynote ‚ Innovation: Wie kommt das Neue in die Welt? Kontext is King‘. Weiter geht es mit Impulsvorträgen von Johannes Plass – Mutabor Brandspaces, Robert Sarcevic – Siemens AG, und Lutz Dietzold vom Rat für Formgebung. Außerdem im Panel: Daniela Stack – Hannover Messe, Jan Kalbfleisch – FAMAB, Markus Beckedahl – re.publica und Netzpolotik.org, Beteiligungs-Spezialist Thomas Künstler, Peter Post von Scholz & Volkmer und Daniel Fuhrer von SmartWEWorld, und Patric Weiler, Strategie- und Innovation-Spezialist bei der Agentur Proske. Außerdem wird Jesper Götsch – jazzunique, PechaKucha Frankfurt – in seinem Impulsvortrag darüber sprechen, wie er neue Formate in seine Veranstaltungen integriert und somit Millennials und Digital Natives erreicht.
Die Partner der 'Pfade in die Zukunft'
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