Die Veranstaltungswirtschaft ist im Wandel. Zum einen sorgt die Verschränkung von Live und Digital für eine größere Relevanz von Hybrid-Events, zum Beispiel, indem der Live-Moment als Content-Motor für digitale Kampagnen dient, die viral für Reichweite sorgen. Zum anderen stehen Live-Kommunikation und Experience-Marketing nicht mehr nur für Events im breitesten Sinn des Wortes. Es geht vielmehr um den Moment, in dem eine Marke, ein Produkt oder ein Unternehmen live erlebbar wird. Daraus folgt, dass Live-Kommunikation und Experience-Marketing auch in Unternehmensbereichen wir HR eine zunehmend größere Rolle spielen. Die Covid-19 Pandemie beschleunigt diesen Wandel. Man gewinnt förmlich den Eindruck, dass sich gewachsene Strukturen langsam auflösen, um Platz für neue Strukturen zu schaffen.
Christian Seidenstücker ist Vorstand der JOKE Event AG und Präsident des ILEA Europe Chapters. Aktuell entwickelt der Event-Experte gemeinsam mit anderen Vordenkern der Veranstaltungswirtschaft verlässliche Lösungen, damit Unternehmen auch in diesen dynamischen Zeiten Veranstaltungen als Live-Event sicher umsetzen können.
Foto: Christian Seidenstücker - Mit-Initiator der Initiative Back2Live im Interview.
„Der Wunsch nach persönlichem Austausch und echten Erlebnissen ist nach Monaten voller hybrider und digitaler Eventkonzepte extrem hoch“, berichtet Seidenstücker. Wie Eventsicherheit im COVID 19-Kontext praktisch aussieht, wollte Christian Seidenstücker live erlebbar machen und gründete daher mit den Vorstandskollegen von Satis&Fy (Eventtechnik) und den Vorstandskollegen der Party Rent Group (Raum-Design und Event-Ausstattung) das Projekt BACK TO LIVE.
Foto: Opening Back2LIVE - Musterveranstaltung für Events in Zeiten von Corona
Die Musterveranstaltung BACK2LIVE 1.0 zeigte an verschiedenen Szenarien, wie die neue Normalität in der Live-Kommunikation unter aktuellen Sicherheitsauflagen machbar ist. BACK TO LIVE 2.0 ist bereits in der Planung – Ziel sind Live-Events auf das nächste Sicherheits-Level mittels qualifizierten Schnelltest-Prozessen zu heben.
Im Gespräch mit Chef-Redakteur Sjoerd Weikamp berichtet Christian Seidenstücker unter anderem darüber, warum Live-Kommunikation eine so große Relevanz im Marketing-Mix hat, was aktuell passiert, um Veranstaltungen unter den gegebenen Hygiene- und Sicherheitsaspekten wieder möglich zu machen und wie hybriden Veranstaltungsformate dazu beitragen, eine noch größere Reichweite zu erzielen.
Foto: Back2Live zeigt, wie Veranstaltungen sicher umgesetzt werden können.
Redaktion
Herr Seidenstücker, die deutsche Veranstaltungswirtschaft leistet mit einem jährlichen Umsatzvolumen von über 130 Milliarden Euro einen erheblichen Beitrag zum Brutto-Inlandsprodukt.
Welche gesamtwirtschaftliche Bedeutung haben Messen und Events in unserem Land?
Christian Seidenstücker
Zunächst einmal gilt es, die Veranstaltungswirtschaft kurz zu skizzieren, ergo: was genau verbirgt sich hinter dieser Branchenbezeichnung und um welche Veranstaltungsformate geht es im Detail?
Wenn wir über ein Umsatzvolumen von 130 Milliarden Euro im Jahr reden, dann werden 88,5 % dieses Umsatzes über wirtschaftsbezogene Veranstaltungen generiert. Dazu zählen unter anderem Messen, Kongresse, Meetings- und Tagungen, Jahreshauptversammlungen, Produktpräsentationen, Roadshows. Firmenveranstaltungen, wie Jubiläen, Standort-Eröffnungen und Einweihungen, Hausmessen oder etwa Mitarbeiterveranstaltungen, wie Incentives und Teambuildings.
Foto: Christian Seidenstücker anlässlich der Pressekonferenz zur #AlarmstufeRot in Berlin
Wir reden nicht – und das sei hier der Form halber noch einmal in aller Deutlichkeit angemerkt – über Spaßveranstaltungen der Freizeitindustrie. Denn 114,5 Milliarden Euro von insgesamt 130 Milliarden Jahresumsatz werden über wirtschaftsbezogene Veranstaltungen generiert. Wenn diese nun aufgrund des Berufsverbotes für unsere Branche ausbleiben, dann hat das enorme Auswirkungen auf andere Branchen. Nehmen Sie beispielsweise die Tourismusbranche, ihr angegliedert Hotellerie und Gastronomie: 50% aller Geschäftsreisen nach Deutschland sind fest an Veranstaltungen geknüpft. Diese Veranstaltungen finden seit über sechs Monaten nicht statt, das bedeutet auch die Reisen, Hotelbuchungen und Restaurantbesuche bleiben entsprechend aus. Das zieht sich wie ein roter Faden durch viele Bereiche unserer Wirtschaft, denn indirekt sind auch eine Vielzahl von Peripheriemärkten betroffen. Zählt man diese Wirtschaftszweige hinzu, sind über 300.000 Betriebe von der Veranstaltungswirtschaft abhängig.
Redaktion
Die Veranstaltungswirtschaft liegt umsatzmäßig noch vor der Metallindustrie und dem Baugewerbe und hat sicherlich auch unter umsatzsteuerlichen wie gewerbesteuerlichen Aspekten eine hohe gesamtwirtschaftliche Bedeutung.
Warum investieren so viele Unternehmen in Deutschland in Veranstaltungen und wie kommt es, dass ein Wirtschaftszweig, der bisher weder von der Politik noch einem Großteil der Gesellschaft als zusammenhängende Branche wahrgenommen wurde, bei Marketing- und Budgetverantwortlichen in Wirtschaft und Industrie eine so große Relevanz hat?
Christian Seidenstücker
Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass multisensorische Wahrnehmung 12-mal stärker in der Erinnerung eines Menschen haften als eine Botschaft, die wir nur mit einem oder zwei Sinnesorganen wahrnehmen. Das bedeutet, Menschen verinnerlichen eine Botschaft, die sie mit allen Sinnen erleben, viel besser, als die würden sie dieselbe Botschaft beispielsweise im TV sehen oder im Radio hören. Daher gewinnen persönliche, konzentrierte und interaktive Erlebnisse, die wir mit Live-Kommunikation und Experience-Marketing schaffen, in unserer multimedialen Digital -Gesellschaft und ihrer zunehmenden Informationsflut enorm an Wert.
An einem Bespiel festgemacht: wenn Sie nach der Fusion zweier Marken oder zweier über Jahrzehnte gewachsener Unternehmen die Mitarbeiter auf die neue Marke einschwören wollen, dann ist der Weg über das gemeinsame Erlebnis mit dem Ziel des Team-Buildings wesentlich effizienter als 100 Leitfänden und 50 Corporate Videos zusammen. Das Gleiche gilt beim Change-Management. Menschen sträuben sich von Natur aus gegen Veränderungen. Wenn es also gilt, Prozesse im Unternehmen zu optimieren, sind Live-Kommunikation und Experience-Marketing sehr effektive Mittel, Veränderungsprozesse einzuleiten und nachhaltig zu festigen.
Foto: Die Musterveranstaltung Back2Live 1.0 zeigte, wie Events in Zeiten von Corona aussehen können
Das sind nur zwei von unzähligen Beispielen. Natürlich spielt die Digitalisierung eine zunehmende Rolle, auch im Marketing-Mix vieler Konzerne und Unternehmen. Aber gerade, wenn es um sehr umsatzstarke Geschäftsfelder geht, braucht es zusätzlich zum persönlichen Produkterlebnis auch das menschliche Vertrauen. Gerade bei teuren und komplexen Produkten und Dienstleistungen ist dies ein nicht zu unterschätzender Faktor für erfolgreiche Geschäftsabschlüsse. Einen Millionen-Deal, z.B. über den Verkauf von Baumaschinen nach Dubai, schließen sie nicht eben während eines Video-Calls ab. Da braucht es zwingend den persönlichen Kontakt, um vertrauensvolle und im Idealfall langfristige Geschäftsbeziehungen aufzubauen, von denen jedes Business profitiert.
Redaktion
Sie sprechen gerade das Ausland an. Laut R.I.F.E.L. Studie belegt der Messe- und Kongressstandort Deutschland nach den USA und China im weltweiten Vergleich den dritten Platz – in Bezug auf internationale Leitmessen ist Deutschland laut dem Verband der deutschen Messewirtschaft, Auma, sogar die Nr. 1. Das hat sicherlich nicht zuletzt damit zu tun, dass Deutschland ein sehr Export-lastiger Wirtschaftsstandort ist.
Wenn nun aber über einen wesentlich längeren Zeitraum keine Messen und Kongresse mehr stattfinden können, könnte das nicht auch erhebliche Auswirkungen auf andere Wirtschaftszweige, wie zum Beispiel die Automobil-Industrie, chemische und pharmazeutische Branchen oder den Maschinenbau haben?
Christian Seidenstücker
Natürlich sind die Wirtschaftszweige miteinander verzahnt und funktionieren, wie ein Schweizer Uhrwerk. Fällt ein Zahnrad über einen längeren Zeitraum aus, kann und wird es auf Dauer dazu führen, dass auch andere Zahnräder nicht mehr optimal einander greifen. Gerade Branchen, wie die Automobilwirtschaft setzen Live-Kommunikation und Experience-Marketing massiv ein, um ihre Zielgruppen zu erreichen. Nimmt man ihnen diese Möglichkeiten, führt das zwangsläufig zu Problemen, auch bei Zulieferern und Partnerbranchen der Automobilindustrie. Denn die Zulieferindustrie nutzt – genau wie die Automobilhersteller selbst – die Leistungsfähigkeit der Veranstaltungswirtschaft, um ihre Produkte zu vermarkten. Das zieht sich wie ein roter Faden durch viele Bereiche der deutschen Wirtschaft.
Foto: Christian Seidenstücker auf der Bühne während der #AlarmstufeRot Kundgebung in Berlin
Redaktion
Von Corporate-Seite hört man zunehmend, dass sie aktuell stark auf digitale Formate setzen. Die Bayer AG will auf jeden Fall bis Anfang 2021 über Online-Evens interagieren. Werden digitale Veranstaltungen künftig nicht doch die Live-Formate ersetzen?
Christian Seidenstücker
Nein, digitale Veranstaltungen ersetzen weder Messen noch Events. Im Gegenteil, je weiter die Digitalisierung in unserer Gesellschaft fortschreitet, umso höher ist das Bedürfnis, sich real zu begegnen. Das gilt für private Interaktionen gleichermaßen wie für das Geschäftsleben.
Digitale- und hybride Veranstaltungsformate sind hervorragende Ergänzungen, zum Beispiel dann, wenn die Reichweite einer Veranstaltung verlängert bzw. vergrößert werden soll oder wenn Messe und Eventformate, wie aktuell der Fall, aufgrund anderer, vorrangiger Interessen überhaupt nicht stattfinden können. Genau dann bewähren sich hybride Formate. Aber wie bereits erwähnt: ein Millionen-Geschäft schließen sie ebenso wenig über das Internet ab, wie sie die Mitarbeiter zweier zuvor konkurrierenden Marken plötzlich zu einer homogenen Gemeinschaft verschmelzen lassen.
Genau aus diesen Gründen hat sich die Veranstaltungswirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Schlüsselindustrie entwickelt: weil sie über die Jahrzehnte hinweg, in denen sich unser Land zu einem der weltweit erfolgreichsten Wirtschaftsstandorte entwickelt hat, eine wirtschaftliche Systemrelevanz entwickelt hat.
Redaktion
Was können Veranstaltungsplaner denn aktuell tun, welche Perspektiven eröffnen sich den Marketing- und Budgetentscheidern aus Wirtschaft und Industrie, die Live-Kommunikation und Experience-Marketing in ihrer Unternehmenskommunikation einsetzen?
Christian Seidenstücker
Zu der Frage möchte ich mich sowohl strategisch als auch praktisch äußern. Und ich fange mal mit der praktischen Perspektive an: Ich denke, mit Blick auf kommende Veranstaltungen gilt es in der Veranstaltungsplanung zunächst verschiedene Umsetzungsszenarien zu entwickeln. In diesem Zusammenhang sollten Veranstaltungsplaner prüfen, welche Formate – analoge, hybride oder gänzlich digitale Events – auf das Veranstaltungsziel einzahlen. Zudem sollte In einer Zeit, in der uns Kurzarbeit, Homeoffice und Homeschooling ein Höchstmaß an Flexibilität abverlangen, in allem was wir tun, Effizienz eine große Rolle spielen. Da können erfahrene Event-Dienstleister mit zertifizierten Workflows ganz sicher einen erheblichen Beitrag zu reibungslosen und effizienten Prozessabläufen beitragen.
Foto: Die JOKE Event AG unterstützte der Großdemonstration am 09.09.2020 in Berlin
Strategisch betrachtet, macht es aus der Perspektive der Marketing- und Budgetentscheider aus Wirtschaft und Industrie überhaupt keinen Sinn, in ihrem Marketing-Mix auf Live-Kommunikation und Experience-Marketing zu verzichten. Denn mal ganz ehrlich: keiner von uns weiß, wann wir die Pandemie überstanden haben. Aber jeder von uns weiß, auch während der Pandemie muss es irgendwie weitergehen. Resignation ist keine Option – die neue Normalität in allen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens muss jetzt gemeinsam definiert und umgesetzt werden. Auftraggeber und die Experten der Veranstaltungswirtschaft müssen sich im Dialog smarte und kreative Ansätze überlegen. Und die Politik ist mehr denn je gefragt, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Für Letzteres setzen wir uns mit unserem Engagement in Brancheninitiativen seit dem Corona-Lockdown bereits stark ein – denn wir brauchen eine verlässlicher Arbeitsperspektive, um Events für unsere Kunden sicher planen zu können.
Foto: Eine Veranstaltung unter allen Sicherheitsaspekten umsetzen: #Alarmstufe Rot Demo in Berlin
Eine abwartende Haltung und der Versuch, das Problem aussitzen zu wollen, beschädigt am Ende alle, und das kann keiner wirklich wollen. Ganz persönlich kann ich dazu sagen: die Generation unserer Eltern und Großeltern hat aus den Trümmern des zweiten Weltkrieges ein ganzes Land aufgebaut. An diesen Mut und vor allem an die Tatkraft dieser Generationen sollten wir uns heute ein Beispiel nehmen und mit Zuversicht und klugen Konzepten an die Arbeit gehen.
Foto: Ins Gespräch kommen mit der Politik: ein zentrales Anliegen der #AlarmstufeRot
Das erfordert einerseits das Vertrauen der Marketing- und Budgetentscheider, andererseits den Schulterschluss mit der Politik. Und es erfordert Zeit, nämlich die Zeit, Veranstaltungen flexibel, effizient, Hygiene- und sicherheitskonform zu planen und umzusetzen. Aktuell haben viele Dienstleistern - gerade Hotels oder Locations - noch Kurzarbeit, weswegen Arbeitsabläufe und Kommunikation nicht so flüssig sind wie vor dem Lockdown. Deswegen sollten Veranstaltungsplaner jetzt frühzeitig wieder in die Planung für kommende Veranstaltungen einsteigen, nur so lassen sich größere Schäden vermeiden.
Redaktion
Welche Produkte und Dienstleistungen bieten Sie Ihren Kunden und Auftraggebern, um Veranstaltungen Hygiene- und sicherheitskonform zu planen und umzusetzen?
Christian Seidenstücker
Direkt nach dem Lockdown haben wir schon an Lösungen zur Eventsicherheit gedacht – diese habe ich gemeinsam mit anderen Event-Experten im R.I.F.E.L.-Mehrstufenleitplan zusammengefasst. Ziel der Handlungsempfehlung für Politikentscheider war es, zu zeigen, wie bei schrittweisen Lockerungen der Schutzmaßnahmen Events sicher umgesetzt werden können. Der im April veröffentlichte Plan enthielt viele Maßnahmen, die seither als Standards auf Veranstaltungen zur Reduzierung des Infektionsrisikos in die Praxis umgesetzt wurden oder aktuell eingeführt werden.
Neben den AHA-Regeln – angepasst an die jeweiligen Event-Situationen und -Beteiligten vom Gast über Crew-Mitglied bis zum auftretenden Künstler – sind das räumliche Schutzmaßnahmen wie Plexiglaswände oder Wegeleitsysteme, um Übertragungs- und Kontaktmöglichkeiten gering zu halten. Auch Desinfektionsmaßnahmen spielen eine wichtige Rolle: In der R.I.F.E.L.- Handlungsempfehlung haben wir die Idee des „Hygienebeauftragten für Veranstaltungen“ erstmalig formuliert. Im Juni 2020 wurde mit unserer Unterstützung ein entsprechender IHK-zertifizierten Lehrgang unter Leitung des IKI (Institut für Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle) und anderer Gesundheits- und Sicherheitsexperten gelauncht. Zwei Kollegen aus unserer technischen Abteilung haben einen der ersten fünfgängigen Fortbildungen absolviert und prüfen bei uns seitdem intern alle Events auf entsprechende Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen.
Für spezielle Branchenanforderungen entwickeln wir individuelle Lösungen mit speziellen Partnern – beispielsweise für die Automobilbranche Car-cleaning-Prozesse, um Testdrive-Formate sicher umzusetzen. Dank professioneller Aerosolbehandlung, die die Testwagen nach jeder Nutzung komplett desinfizieren, werden die Autos sauber an den nächsten Teilnehmer übergeben.
Video: Die Pressekonferenz der #AlarmstufeRot zur Großdemonstration am 28.10.2010
Ein wesentlicher Faktor im erfolgreichen Umgang mit dem Corona-Virus sind technische Lösungen. Ganz akut sind das Raumbelüftungsanlagen: im Frühling haben wir im R.I.F.E.L.-Papier auf die Belüftungsthematik und entsprechende Lösungsansätze hingewiesen, die nun in den kalten Jahreszeiten beim zunehmenden Aufenthalt in geschlossenen Räumen dringend gebraucht werden. Inzwischen sind mobile Luftreinigungsanlagen auf dem Markt, um indirekte Infektionen über infektiöse Aerosole zu vermeiden. Damit können wir Versammlungen und auch Veranstaltungen unter Einhaltung weiterer Schutzmaßnahmen sicher in Innenräumen stattfinden lassen.
Ein komplexer, technischer Prozess steckt auch hinter den Corona-Schnelltests, an denen seit Anfang 2020 gearbeitet wird. Jetzt ist die Entwicklung endlich so weit, dass sie auf Veranstaltungen eingesetzt werden können, um schnell, einfach und kostengünstig zu ermitteln, ob ein Teilnehmer momentan ansteckend ist oder nicht. Zusammen mit Branchen-Partnern und Medizinfachleuten haben wir die Europäische Gesellschaft für Hygieneschutz und Veranstaltungssicherheit (kurz: EGHV) gegründet, die durch ihr Experten-Netzwerk kompetente Beratung und Umsetzung inklusive aller behördlichen Genehmigungsprozesse für Corona-konforme Live-Events bietet. Schnelltests sind als neue und entscheidende Leistung hier seit Neuestem auch integriert. Wie diese in der Praxis umgesetzt werden, zeigen wir voraussichtlich live im November auf der Musterveranstaltung Back2Live 2.0.
Eine weitere technische Lösung ist das digitale Teilnehmermanagement, um eine effiziente Kontaktdatenerfassung und -speicherung – Corona-Stichwort: schnelle Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten – zu ermöglichen. Entsprechende Tools gab es natürlich schon lange vor Corona. Auch wir haben mit unserer Digitaltochter DGS (Digital Guest Solutions) eine einfach anwendbare, extrem individualisierbare und sichere Softwarelösung entwickelt und setzen sie bei digitalen und analogen Events schon länger ein.
Essentiell ist bei allen Tools die IT-Sicherheit. Datenschutz ist gerade in Corona-Zeiten durch Home Office und die enorm gestiegene Anzahl von Video-Konferenzen nochmal deutlich wichtiger geworden. Das genutzte Tool muss die neuesten Sicherheitsstandards erfüllen, um Akzeptanz bei den Anwendern zu erreichen. Nur so können sich smarte Digitallösungen, die nicht nur die Kontaktdatenerfassung enorm erleichtern, sondern auch Teilnehmer auf Live-Events zeitlich und räumlich steuern können, in der Breite durchsetzen.
Redaktion
Können Sie unter aktuellem Bezug ein Projekt aus Ihrem Unternehmen anführen, das die Effizienz von hybriden Veranstaltungsformaten belegt?
Christian Seidenstücker
Wir haben dieses Jahr verschiedene Eventformate in hybrider Form umgesetzt – von Haupt- bzw. Mitgliederversammlung bis zu Publikums-Aktivierung. Dabei zeigt sich, dass je nach Eventformat unterschiedliche Faktoren entscheidend sind, damit hybride Veranstaltungen erfolgreich sind und ihr Mehrwert – am wichtigsten dabei: das Potential einer erhöhten Reichweite – zum Tragen kommt. Zur Verdeutlichung hier zwei unterschiedliche Beispiele.
Bei der von uns hybrid umgesetzten Mitgliederversammlung der Sparkasse Bremen war wichtig, dass ein Satzungs-konformes Digital-Tool vorliegt, das z.B. Abstimmungen sicher und im gesetzlichen Rahmen möglich macht.
Aufgrund der aktuellen Infektionsentwicklung, müssen wir davon ausgehen, dass Pflichtveranstaltungen wie Betriebs- und Hauptversammlungen auch 2021 zum Teil nicht live sondern hybrid stattfinden werden. Nicht nur kurz- sondern auch langfristig können Hybrid-Events zur Effizienz solcher Veranstaltungsformate beitragen, weil sie eine zusätzliche Art der Event-Teilnahme ermöglichen. Dank smarter Techniklösungen, die obligatorische Prozesse wie die Stimmrechtabgabe digital und gesetzeskonform umsetzen, können über die Versammlungseilnehmer vor Ort hinaus auch auf digitalem Wege Menschen bedenkenlos teilnehmen. Was den Aufwand im Einzelfall senkt, weil beispielsweise die Anreise wegfällt, und somit die Teilnahme leichter und wahrscheinlicher macht.
Einen anderen Ansatz zur Reichweitensteigerung mittels Hybrid-Events, zeigt unser zweites Projekt-Beispiel. Hier war nicht die Techniklösung entscheidend, sondern die Konzeption und der Content. Beim WOW, dem Werder Opening Weekend, handelt es sich um eine klassische Fan-Aktivierung zum Bundesliga-Saisonstart, die Werder Bremen Corona-bedingte 2020 erstmalig als Hybrid-Event veranstaltete. Mit einem spannenden Programm konnte Content erstellt werden, der als Live-Stream mehr Menschen digital erreichte als bei einem Live-Event im Stadion vor Ort gewesen wären. Wichtig ist bei Digital-Content - gerade bei Aktivierungs-Events - das emotionale Bezüge für die Zuschauer hergestellt werden und das trotz räumlicher Distanz ein Gemeinschaftsgefühl entsteht. Durch beispielsweise eine stimmungsvolle Kulisse - im Fall des WOW das wohninvest Weser-Stadion. Der Ort, an dem sich die Fans sonst live treffen, wurde von uns atmosphärisch inszeniert und bildete den verbindenden Rahmen für das Hybrid-Event.
Grundsätzlich haben wir als Eventexperten die Aufgabe, hybride Veranstaltungen so weiterzuentwickeln, dass sie spannend sind und die Teilnehmer nicht nur inhaltlich, sondern auch emotional erreichen. Denn nur wenn Hybrid-Events als attraktiv erlebt werden, werden sie sich als Format etablieren, bleiben auch nach Corona relevant und Unternehmen können von ihren Vorteilen, wie z.B. der Reichweitensteigerung, wirklich profitieren.
Redaktion
Herr Seidenstücker, Sie führen eine renommierte Agentur und engagieren sich seit vielen Jahren in diversen Gremien der Veranstaltungswirtschaft. Welche Bedeutung messen Sie dem Wissenstransfer zwischen Veranstaltungsplanern und der Veranstaltungswirtschaft bei und wie beurteilen Sie in dem Zusammenhang eine Plattform, die sich anschickt, das gesamte Wissen des sechstgrößten Wirtschaftszweigs zu bündeln, um es Marketing- und Budgetentscheidern zur Verfügung zu stellen?
Christian Seidenstücker
Die aktuelle Situation der Messe- und Eventbranche zeigt, dass Wissenstransfer das zentrale Bindeglied zwischen Veranstaltunsplanern und der Veranstaltungswirtschaft ist. Die Eventbranche ist mit über 150 Segmenten und Spezial-Disziplinen ein extrem heterogener Markt. Das Zusammenführen von Expertise und Wissen eines so von Diversität geprägten Wirtschaftszweigs halte ich für sehr zeitgemäß. Gerade in einer Zeit, in der ein so systemrelevanter Wirtschaftszweig vor enormen Herausforderungen steht, braucht es Menschen mit innovativen, Ideen. Daher haben wir uns sehr bewusst zu einer Zusammenarbeit mit NEXTLIVE entschieden, um gemeinsam ein zukunftsweisendes Konzept voranzutreiben.
Redaktion
Vielen Dank, Herr Seidenstücker