Ulf Gassner ist CEO bei CONCEPT X und Mitbegründer von 27NAMES, einem international agierenden Agenturverbund mit 21 Partnern. In der NEXTLIVE-Serie #JoinTheLiveRevolution spricht der Agenturchef über die Kraft des realen Erlebens und wagt einen Blick in die Zukunft von Live-Kommunikation und Experience-Marketing.
Foto: CONCEPT X-Chef Ulf Gassner gründete 2008 den internationalen Agenturverbund 27NAMES.
Redaktion
Lieber Ulf, hybride Eventformate sind in aller Munde. Vielerorts hört man sogar, Hybrid sei die Zukunft. Wie bewertest du das?
Ulf Gassner
So lange die Restriktionen durch Covid-19 andauern, bieten die digitalen Formate eine gute Lösung. Hybrid findet bisher kaum statt, da die Präsenz auf Veranstaltungen fast unmöglich ist. Im Sinne der Vermittlung von vor allem sachlichen Informationen werden digitale Formate auch perspektivisch einen Nutzen haben – der vor allem unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung für die Nachhaltigkeit und den damit verbundenen Reduktionen der Aufwände für Reisen und somit auch Kosten gerecht wird. Die Effizienz der digitalen Formate, sowohl für den Organisator als auch Gast, ist diesbezüglich unschlagbar.
Sobald jedoch der intensive Austausch sowie emotionale und motivationale Aspekte dazu kommen, sind die reale Begegnung und Inszenierung unschlagbar. Kein digitales Format reicht auch nur im Ansatz an die Möglichkeiten der Kraft der realen Begegnung, der dadurch fühlbaren Atmosphäre und damit einhergehenden Wirkung der Markenkommunikation heran.
Ein hybrides Format, im Sinne von real und parallel digital, hat dann eine Berechtigung, wenn auf der digitalen Ebene zumindest die inhaltlich wichtigsten Aspekte der Veranstaltung transportiert werden.
In einer Phase der Transformation werden hybride Formate im Fokus stehen. Auch nach der Aufhebung der Restriktionen durch Covid-19 werden alle Veranstaltungsformate mehr digitale Aspekte haben. Das heißt, es werden digitale Tools integriert, die eine stärkere Interaktion und somit ein Involvement ermöglichen. Auch die Verlängerung der Inhalte auf digitale Medien, vor allem Social Media, wird eine wichtige Rolle spielen. Allerdings wird es die unter dem heutigen Verständnis angedachten Hybridveranstaltungen nicht mehr lange geben, sobald es keine Restriktionen mehr gibt.
Eine gut gemachte Veranstaltung lebt von der Inszenierung und Dramaturgie, egal ob in der realen oder digitalen Umsetzung – und in diesem Punkt unterscheiden sich die Ansprüche der realen Begegnung von der digitalen Umsetzung stark. Beides miteinander zu verbinden ist nur durch eine deutliche Erhöhung des Budgets möglich, wenn man dem Publikum auf digitaler und realer Ebene gerecht werden will. Dies wird vermutlich nicht stattfinden, sondern vorab die Entscheidung getroffen was im Sinne des ROI am besten umgesetzt wird.
Redaktion
Dein Herz schlägt also nach wie vor für Live-Formate und Präsenzveranstaltungen. Woher kommt diese Überzeugung?
Ulf Gassner
Diese Frage lässt sich vielleicht am besten durch eine Analogie beantworten: ich kann mich optimal durch die digitalen Medien auf meinen Urlaub vorbereiten, alles darüber lernen, genau wissen was ich dort alles erleben kann – aber wirklich erleben werde ich es erst vor Ort! Die damit einher gehenden tiefen Eindrücke sind digital nicht vermittelbar.
Ich verstehe natürlich die Kollegen, die das Thema der digitalen und hybriden Events öffentlich aktuell hochjubeln und als das Zukunftsmodell definieren – denn vielfach ist es die einzige Möglichkeit Einnahmen zu erzielen, wenn der Fokus auf Live-Kommunikation liegt. Jedoch kenne ich niemanden aus meinem nationalen und internationalen Netzwerk, der nicht zutiefst davon überzeugt ist, dass die reale Begegnung ungleich mehr Potential bietet. Wissen wir nicht alle, dass die reale Begegnung und das reale Erleben ein fulminantes Comeback feiern werden, da wir uns als Mensch aktuell wohl kaum etwas mehr wünschen?
Redaktion
Was hörst du im Gespräch mit Marketing- und Budgetentscheider von Auftraggeberseite über deren Pläne, wann werden Marken und Unternehmen wieder verstärkt in Live-Kommunikation und Experience-Marketing investieren?
Ulf Gassner
Ich bin weiterhin optimistisch und gehe davon aus, wir schaffen es den erschreckenden Impfrückstand im 2. und 3. Quartal aufzuholen. Somit könnte die Veranstaltungsbranche ab dem 4. Quartal eine Renaissance erleben und kraftvoll zurückkommen. Die ersten Indikatoren dafür sehe ich auch auf Kundenseite. Wir sprechen seit Anfang März über neue Projekte, die primär ab Anfang 2022 losgehen, aber z. T. auch schon dieses Jahr stattfinden könnten.
Video: Für das Konzept #Einheitsbuddeln erhielt CONCEPT X 2021 den BrandEx Award.
Redaktion
Aktuell sind uns allen durch das Virus noch die Hände gebunden. Hast du Tipps für die Auftraggeberseite? Wie können Marken, Konzerne und Institutionen trotz Covid-19 und Lockdown effektive Live-Kommunikation betreiben?
Ulf Gassner
‚Leider‘ bleibt es bis auf Weiteres bei digitalen und hybriden Eventformaten, wenn es um das Thema Live-Kommunikation geht. Wir sehen jedoch mit Projekten, wie dem wissenschaftlich begleiteten Tanzevent ‚Back to Live‘ im Ziggo Dome, Amsterdam oder dem Konzert der Berliner Philharmoniker vor 1.000 Gästen – ebenfalls wissenschaftliche begleitet, dass an sicheren Lösungen gearbeitet wird. Da viele Projekte ohnehin einen längeren Vorauf haben, sollten Auftraggeber langsam, aber sicher wieder in die konkrete Planung von Präsenzveranstaltungen einsteigen.
Redaktion
CONCEPT X ist Gründungsmitglied und die treibende Kraft hinter 27NAMES, einem Verbund von internationalen Agenturen für Live-Kommunikation und Experience-Marketing. Was war bei Gründung damals das Ziel von 27NAMES und wie hat sich das Lable in der Zwischenzeit entwickelt?
Ulf Gassner
Wir haben mit CONCEPT X vielfach den internationalen Bea World Award gewonnen und mehre Jahre durfte ich auch als Jurymitglied über die Arbeit der europäischen Kollegen richten. Dabei habe ich für mich erschreckend festgestellt, wie deutsch ich denke und wie bereichernd die unterschiedliche Herangehensweise an die Umsetzung der Live-Kommunikation in Europa ist.
Abbildung: 27NAMES ist ein international agierender Agenturverbund.
Die kulturelle Vielfalt Europas wird dabei wie in einem Brennglas deutlich. Davon wollte ich lernen und meinen eigenen Horizont erweitern, denn es bietet unendliche Inspiration für die eigene tägliche Arbeit. Deshalb habe ich im November 2008 im Rahmen des FAMAB Awards in Bochum mit zunächst vier Partnern 27NAMES als Netzwerk gegründet. Inzwischen sind wir 21 Agenturen aus 21 Ländern, die gesellschaftlich miteinander verbunden sind. Nach wie vor steht das Lernen und die Inspiration im Fokus und ist ein unbezahlbarer Wert – zum Beispiel durch den Austausch von Mitarbeitern. Wie von selbst haben sich daraus inzwischen zahllose gemeinsame Projekte entwickelt, z. T. zwischen zwei Ländern oder aber auch über die ganze Gruppe hinweg.
Redaktion
Einer der vielen beeindruckenden Gewinner des dritten BrandEx Awards war der Case #EINHEITSBUDDELN on the Day of German Unity, der zum Tag der Deutschen Einheit 2019 für 500.000 Besucher in Kiel und bundesweit umgesetzt wurde. Glückwunsch an euer Team zur Auszeichnung.
Von vielen Medienvertretern und Experten der Veranstaltungswirtschaft wurde die digitale Verleihung des BrandEx Awards als ‚vertane Chance‘ bewertet. Auch Vertreter der Auftraggeberseite waren zum Teil eher enttäuscht von dem Konzept.
Wie bewertest du als Kenner der Szene und Experte für Live-Kommunikation die Veranstaltung, die in diesem Jahr unter dem Motto ‚Ein Abend unter Freunden‘ stattfand.
Ulf Gassner
Danke erstmal für die Glückwunsche!
Da wir mit CONCEPT X den FAMAB Award als Vorläuferformat des BrandEx Awards bereits zweimal umgesetzt haben kennen wir die Situation sehr gut. Konstruktive Kritik ist immer gern gesehen. An diesem Bashing möchte ich mich allerdings nicht beteiligen. Das hat es immer gegeben und ich fürchte das wird es auch zukünftig immer geben, egal was der Verband auf die Beine stellt.
Redaktion
Vielen Dank für das Gespräch, lieber Ulf.